EDITORIAL
 
Mein ganz persönlicher 'Senf' - diesmal:
Wer mit Stäbchen essen will, der braucht auch eine Reisschale!

Wie tanzt man East Coast Swing und zu welcher Musik?

Ich war neulich beim Chinesen und hab' die Bedienung wissen lassen, dass ich mit Stäbchen essen wolle. Mein Gericht wurde auf einem flachen Teller serviert und mir dazu die Stäbchen in die Hand gedrückt. Man kann sich denken, dass das nicht besonders gut geklappt hat. Auf einem flachen Teller kann man mit Stäbchen das Essen nur hin und her rangieren. Um mundgerechte Happen damit zu greifen braucht man eine Reisschale.

Ähnliches kann man mit East Coast Swing (ECS) erleben. Wie der Name sagt, verlangt ECS nach Swing Musik. So eindeutig, wie die Stäbchen nach der Schüssel. Es geht zwar "irgendwie" auch anders - damit es richtig gut klappt, braucht es die Kombination von Swing Musik und ECS.

Wesentliches Merkmal der Swing Musik ist der 'Shuffle' (als musikalische Technik, nicht die Line Dance Figur). Was dieser musikalische Shuffle ist, kann man z.B. hier nachlesen.
Im wesentlichen führt das dazu, dass man sich statt der gewohnten binären einer ternären Spielweise bedient. Das führt dazu, dass man (sehr grob vereinfacht) statt des gewohnten "Bummm----bumm----bumm" ein "Bumm------bu-bummm" zu hören bekommt.

Für den Tänzer heißt das, das er bei einem Triple Step (Chassé, Shuffle Step, Lock-Step etc.) dieser "geshuffelten" Spielweise folgen muss. In unseren Stepsheets wird das meist als '1 a2' geschrieben und gezählt. Also '1', kurze Pause, dann dicht hintereinander 'a' '2'.
Viele "Vortänzer" haben sich nie mit den musikalischen Grundlagen unseres Sports beschäftigt und zählen deswegen '1&2', ihre "Schüler" tanzen das dann auch so.
Sie tanzen damit neben der Musik und außerhalb des erklingenden (Swing-)Rhythmuses.

Das ist nicht "egal" oder "leichter" oder "macht auch Spaß" - das ist schlicht unmusikalisch und deswegen einfach falsch!

Nun ist Swing Musik teilweise afrikanischer Abstammung und ist als Teil der afroamerikanischen Kultur von der Schwarzen-Community in USA gepflegt und tradiert worden. Als sie sich in den 1940ern zum kommerziellen, marktbeherrschenden Kassenschlager entwickelt hat und mit Lindy Hop, Jitterbug, East Coast Swing, später auch Boogie Woogie, Rock 'n Roll und Jive landauf landab in den Clubs getanzt wurde, ist auch die Musik der Weißen darauf eingestiegen. Oft ohne den musikalischen Ansatz gelernt zu haben und oft auch ohne das "Feeling" des Swing verinnerlicht zu haben.

Bei der Interpretation schwarzen Swings in weißer Country Music treten diese Defizite deutlich zu Tage. Es gibt einfach wenig gute, echte, schwarze Swing Music von unseren Country Musikern.
Nimmt man beides zusammen, nicht-ternäre, kaum geshuffelte Country "Swing" Musik und die unzureichende handwerkliche Grundlage bei unseren Vortänzern samt musikalischer "Unempfindlichkeit" vieler Line Dancer, dann kommen flacher Teller und ungeeignete Stäbchen wieder zusammen. Man spielt (fast) und tanzt (voll) einen 1&2-"Swing"-Murks.
Das klingt nicht typvoll und sieht nicht gut aus. Es passt rhythmisch halt nur fast.

Was folgt ist ein "Kunstgriff" den ich beim sog. Catalan-"Stil" schon beklagt habe: man macht aus dem Fehler eine Kunst und nennt das Ergebnis einen "Stil". Man tanzt zur falschen Musik (binär, nicht oder zu wenig geshuffelt) mit schlechtem Timing (1&2)
Seit neuestem wird vom 'Country ECS' geredet und geschrieben um die Fehler zur Tugend umzustilisieren.

Für die Protagonisten dieser schnapsigen Idee hat das auch noch Vorteile:
- die Vortänzer brauchen nichts dazu zu lernen
- die Nachtänzer brauchen nicht hin zu hören
- die Szenestars behalten ihre Privatstundennehmer, weil die professionellen Tanztrainer der lateinamerikanischen und Swing Tanz Szene ja "kein Kauntrie machen" und
- Leute, die sich weiterbilden und direkt von der Quelle schöpfen, werden wieder an die eigene Organisation gebunden.

Ich rate dringend dazu, diesen Downgrade, dieses Schielen nach der Vereinfachung, der ungehemmten Simplifizierung eine Absage zu erteilen.
Es gibt keinen '1&2' ECS.
Es gibt keine nicht-geshuffelte Musik, zu der man ECS tanzen sollte.
Das ist fachlicher Murks. Das ist nicht nur Stäbchen und Teller, das ist Suppe mit Gabel!

See ya'll on the dancefloor
                              Georg Kiesewetter

P.S.: ECS mit '1 a2' ist älter als Jive. Jive ist aus dem ECS durch hinzufügen von R'nR und Boogie Woogie Anteilen entstanden. Der ternär gespielte, gehuffelte 1 a2 Rhythmus ist ihnen gemeinsam. Diesbezüglich unterscheiden sie sich nicht.

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